Die Herausforderung von industriellen Anlagenstilllegungen (Turnarounds)
Wenn Industrieanlagen stillgelegt werden, wird es schnell sehr komplex. Vier bis sechs Wochen lang arbeiten bis zu 1.500 Menschen unter immensem Zeitdruck zusammen, um kritische Wartungs- und Austauscharbeiten bis hin zur Wiederinbetriebnahme der Anlage durchzuführen.
In diesem Interview berichtet unser Produktmanager Christian, wie eine Kundenanfrage die Entstehung des Pilotprojekts „MaTaP – Management Tool for Turnarounds and Projects“ bis zur Entwicklung der umfassenden industriellen Turnaround-Software „MaTaP PRO“ ausgelöst hat. Er gibt außerdem Einblicke in die Herausforderungen, die das Entwicklungsteam zu bewältigen hatte, und in die Zukunft der Softwarelösung.
Christian leitet das Projekt bei Augmensys seit dem Sommer 2021. Das Projekt startete im Jahr 2018 und wurde von unserem vorherigen Kollegen Roman betreut. Als Christian die Leitung übernahm, befand sich das Projekt noch in der Pilotphase.
Die Prozessindustrie braucht eine bessere Methode zur Abwicklung von Turnarounds
F.: Warum braucht die Prozessindustrie MaTaP PRO?
Christian: In der Prozessindustrie sind an groß angelegten Arbeiten wie dem Austausch von Komponenten, Reparaturen oder der Wiederinbetriebnahme einer Anlage oft mehrere hundert, manchmal sogar bis zu tausend Personen beteiligt. Eine detaillierte Planung aller Arbeitsaufträge ist dabei essentiell, genau wie die Sicherstellung einer transparenten und nachvollziehbaren Ausführung.
Gleichzeitig müssen die Teams flexibel bleiben, denn Änderungen des Arbeitsumfangs und unerwartete Ereignisse können auftreten und müssen schnell und effizient bearbeitet werden. Eine klare Dokumentation und die strikte Einhaltung von Sicherheitsstandards sind ebenfalls unerlässlich, sowohl für interne Mitarbeiter als auch für externe Dienstleister.
Außerdem stellen Turnarounds für Unternehmen eine erhebliche finanzielle Herausforderung dar. Um die Ausfallzeiten der Anlagen zu minimieren und die Kosten unter Kontrolle zu halten, sind eine genaue Planung, eine effiziente Durchführung und eine zuverlässige Dokumentation erforderlich. Hier kommt MaTaP PRO ins Spiel – als modulare Software für Turnarounds, die die Planung und Ausführung von industriellen Stillständen optimiert. Die Software unterstützt dabei, Stillstandszeiten zu reduzieren und bietet ein reibungsloses Management von eventuellen Plananpassungen während des gesamten Projekts.
Vom Pilotprojekt zur Produktvision
F.: Warum wurde das Pilotprojekt „MaTaP“ gestartet?
Christian: 2018 kam ein Kunde auf uns zu: Sie benötigten eine Lösung, die speziell auf die Anforderungen von Turnarounds zugeschnitten ist.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man auf papierbasierte Prozesse und einige wenige digitale Tools zurückgegriffen. Dadurch war es für alle Beteiligten schwierig, einen transparenten Überblick über die Aufgaben zu haben. Außerdem war es kaum möglich, abgeschlossene Arbeiten zu verfolgen oder mit Änderungen des Umfangs oder des Budgets Schritt zu halten.
Es gab kein einheitliches Tool, das von allen Teams konsistent genutzt wurde, was die Kommunikation und Koordination zwischen den Gruppen zusätzlich erschwerte. Und da die Dokumentation in vielen Fällen nicht vollständig war, gingen wichtige Erkenntnisse aus vergangenen Turnarounds oft verloren, was die künftige Planung und Verhandlungen mit Dienstleistern erschwerte.
Das Ziel war klar: Sie wollten eine Softwarelösung, die die Planung und Ausführung beschleunigt und gleichzeitig für mehr Struktur und Klarheit sorgt. So entstand das Pilotprojekt „MaTaP“ – ein maßgeschneidertes Tool, das auf unserer UBIK®-Software basiert.
F.: Wieso habt ihr euch dazu entschieden, dieses Pilotprojekt in eine umfassende Software umzuwandeln? Vor welchen Herausforderungen stand das Entwicklungs-Team? Und wie lange hat es gedauert?
Christian: Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass das Pilotprojekt viel mehr Potenzial hat, als nur eine isolierte Lösung für einen Kunden zu sein. Die Kernidee Turnarounds effizienter zu gestalten und somit die Stillstandszeit zu reduzieren, ist auch für andere Kunden wertvoll, so dass die Umwandlung in ein vollwertiges Produkt Sinn machte.
Eine der größten Herausforderungen für unser Entwicklungsteam war es, das richtige Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Stabilität zu finden. Wir bauten das Produkt von Anfang an auf einer modularen Architektur auf, die Plugins über das Managed Extensibility Framework (MEF) innerhalb des .NET Framework verwendet. Das bedeutet, dass MaTaP PRO auf Kernmodulen basiert, die den gesamten Turnaround-Lebenszyklus abdecken und, dass aber auch zusätzliche Module hinzugefügt und an die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Kunden angepasst werden können.
Diese Flexibilität brachte jedoch eine Herausforderung mit sich: Wir mussten die kundenspezifischen Funktionen sauber und nachhaltig von den Kernmodulen trennen. Unser Ziel war es, sicherzustellen, dass neue Entwicklungen die bestehenden Funktionen nicht beeinträchtigen und sich nicht auf unsere bisherigen Nutzer auswirken. Gleichzeitig mussten wir anpassbare Schnittstellen schaffen und Vorlagen effizient aus historischen Daten generieren, beides entscheidend für die Wiederverwendung und den langfristigen Nutzen.
Wir haben im September 2023 mit der Umwandlung des Pilotprojekts in eine umfassende Lösung begonnen, die bis Ende Dezember 2024 umgesetzt wurde. Die Arbeit mit Scrum, frühe Tests und funktionale Entwürfe als manuelle Tests haben uns wirklich geholfen, Stabilität und Qualität gleichzeitig zu sichern.
Was MaTaP PRO von anderen Software-Lösungen unterscheidet
F.: Gibt es vergleichbare Softwarelösungen für die Prozessindustrie? Was unterscheidet MaTaP PRO von anderen Lösungen?
Christian: Es gibt auch andere Lösungen auf dem Markt, aber viele von ihnen decken nur bestimmte Teile des Lebenszyklus eines Turnarounds ab. MaTaP PRO hingegen haben wir speziell für Turnarounds entwickelt – so können unsere Kunden den gesamten Lebenszyklus in einer einzigen Software verwalten.
Mit unserer Software können die Benutzer den Fortschritt in Echtzeit überwachen, sei es auf einem stationär über große Bildschirme in der Anlange oder mobil über Tablets. Mit dem Admin-Tool haben Management-Teans vollen Zugriff auf alle aufgezeichneten Daten, so dass sie planen und fundierte Entscheidungen treffen können, falls Anpassungen erforderlich sind.
Was MaTaP PRO wirklich auszeichnet, ist die Flexibilität und Transparenz, die es bei der Abwicklung von Turnarounds bietet. Erweiterungen des Projektumfangs und Punch-Points können in jeder Phase einfach hinzugefügt und nachverfolgt werden. Diese Flexibilität in Kombination mit einer klaren Übersicht über alle Prozesse macht die Software so effektiv.
Die Zukunft von MaTaP PRO
F.: Wie wird sich MaTaP PRO weiter entwickeln und was sind eure Vorstellung für die Zukunft?
Christian: Wir haben bereits mehrere Kunden, die dank MaTaP PRO erhebliche Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen erzielen konnten – und wir sind sehr stolz darauf. Aber unsere Arbeit hört hier noch nicht auf. Wir arbeiten kontinuierlich an der Erweiterung und Verbesserung der Software.
Für die Zukunft planen wir die Entwicklung eines speziellen Desktop-Clients, die Erweiterung unseres Plugin-Ökosystems und die weitere Verbesserung unserer Importtechnologie. Außerdem konzentrieren wir uns darauf, die Funktionalität der mobilen App zu erweitern, um den Nutzern noch mehr Flexibilität bei der Arbeit vor Ort zu bieten.
Ein Dankeschön an unser Team
Anstelle einer klassischen Kurzfassung dieses Interviews möchten wir die letzten Zeilen mit Wertschätzung und Dankbarkeit für unsere Kollegen und Kollegeninnen füllen: Liebes Entwicklungs- und Serviceteam, ohne eure harte Arbeit, Überstunden und Leidenschaft, die ihr in dieses Projekt gesteckt habt, wäre der Launch von MaTaP PRO nicht möglich gewesen. Vielen Dank dafür! Ihr seid einfach großartig!